Oktober 2025

An unserem zweiten Tag auf Lesbos verlagerten wir unseren Schwerpunkt von medizinischer auf rechtliche Unterstützung. Wir besuchten Fenix, eine Organisation, die neu angekommenen Flüchtlingen und Asylsuchenden in Griechenland umfassende rechtliche Unterstützung bietet. Im Lager nahmen wir an einer Rechtsberatungssitzung für Menschen aus Sierra Leone, Kamerun und Ghana teil. Ein junger Anwalt erklärte den neu angekommenen Flüchtlingen das Verfahren, das sie während ihres bevorstehenden Asylverfahrens erwarten würde.

Aber es geht um viel mehr als nur um Informationen und Vorbereitung – es geht um mentale Vorbereitung, und die junge Anwältin leistete hervorragende Arbeit, indem sie einerseits klare Informationen lieferte und andererseits eine sehr herzliche und einladende Atmosphäre schuf. Wir konnten buchstäblich spüren, wie das Selbstvertrauen der Teilnehmer wuchs, was für ihren Prozess von entscheidender Bedeutung ist.
Es war sehr bewegend, Menschen zu treffen, die nach Jahren der Not gerade erst angekommen waren und nun unter schwierigen Bedingungen einem einzigen, entscheidenden Interview gegenüberstanden. Diese Interviews, die in einer alten Fabrik stattfinden, können über 8 Stunden dauern – ohne Essen und Trinken – und oft unter großem Druck.

Später besuchten wir ein neues, von der EU finanziertes Lager im Zentrum von Lesbos. Isoliert und streng bewacht, ähnelt es eher einem Gefängnis als einer Unterkunft. Die Pläne, hier bis zu 15.000 Menschen unterzubringen, werfen ernsthafte Menschenrechtsbedenken auf.
Der Tag hinterließ bei uns viele Zweifel darüber, wo unsere berühmten europäischen Menschenrechte geblieben sind. Gleichzeitig haben uns die hervorragende Arbeit der NGOs, ihrer Mitarbeiter und Freiwilligen wieder neue Energie gegeben und Hoffnung gemacht.